„Wir haben etwas, über das wir positiv in die Zukunft gehen können“

Der Paragraf 113c und die neuen Personal-Anhaltswerte: Was sich auf den ersten Blick trocken und sperrig liest, beschert der Pflege nach Ansicht von Experten eine Revolution und die umfangreichste Veränderung seit Einführung der Pflegeversicherung vor bald 30 Jahren. Rund 150 Teilnehmer – vom Kreisgeschäftsführer bis zur Wohnbereichsleiterin – informierten sich am Donnerstag in Weiden bei einer Impuls-Veranstaltung der BRK-Landesgeschäftsstelle zu den einschneidenden Weiterentwicklungen, die ab 1. Juli bundesweit auf Träger der Altenpflege zukommen.

Von Frank Betthausen

Weiden. Nach dem 12. Bayerischen Katastrophenschutz-Kongress der Bereitschaften vor rund drei Wochen war die Max-Reger-Halle in Weiden an diesem Donnerstag abermals Austragungsort einer großen BRK-Veranstaltung. Rund 150 Teilnehmer aus dem Freistaat – vom Kreisgeschäftsführer bis zur Wohnbereichsleiterin, aus Füssen und Garmisch-Partenkirchen genauso wie aus Cham und Geisenhausen – informierten sich bei einer Impuls-Veranstaltung der Landesgeschäftsstelle in München zu einschneidenden Weiterentwicklungen, die ab dem Sommer bundesweit auf Träger der Altenpflege zukommen.

Experten halten sie für eine Revolution im Pflege-Alltag und die umfangreichste Veränderung seit Einführung der Pflegeversicherung vor bald 30 Jahren. Denn: Mit den ab 1. Juli greifenden gesetzlichen Neuerungen wird die Fachkraftquote beim Personal aufgehoben und der Blick in den Häusern viel stärker auf die Pflegegrade der Bewohner gerichtet.

In den Einrichtungen wird damit in Zukunft viel situationsbezogener und zielgerichteter festgelegt, welche Aufgaben Pflegefachkräften zufallen – und welche Pflegefachhelfern.

Neumarkter BRK-Team nimmt an Projekt teil

Um die Umstrukturierungen zu meistern, hat die Abteilung Senioren & Pflege vor wenigen Wochen das von der GlücksSpirale geförderte Projekt „§113c SGB XI Personalbemessung im BRK“ angestoßen.

Es hat zum Ziel, stationäre Einrichtungen bei der Einführung der neuen Personal-Anhaltswerte zu begleiten, die über das sogenannte Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz in Deutschland künftig einheitlich realisiert werden müssen.

Zehn Pflege-Einrichtungen des BRK – darunter das Seniorenheim des Bezirksverbands Niederbayern/Oberpfalz in der Neumarkter Friedenstraße – nehmen daran teil.

„Die Vorträge und Workshops, die wir heute bis zum Nachmittag anbieten, dienen als Info für den Gesamtverband zum Paragraf 113c“, erklärte Patrick Bruhn, Leiter der Abteilung Senioren & Pflege. Ziel der Auftaktveranstaltung sei es, „heiß zu machen“ auf ein im ersten Moment sperrig klingendes, aber wichtiges Thema. „Wir haben etwas, über das wir positiv in die Zukunft gehen können und wollen das auf breiter Basis streuen“, sagte er. Die Landesgeschäftsstelle sieht Bruhn – das Projekt leitet seine Mitarbeiterin Nelleke Jakob – grundsätzlich als Dienstleister für die Pflege-Einrichtungen im Freistaat.

Nach der Info-Veranstaltung in Weiden sei es die Stoßrichtung, auf Landesebene Werkzeuge zu entwickeln, „um sie bei der Umsetzung des Paragrafen 113c für alle dauerhaft nutzbar zu machen“.

Den 1. Juli betrachtet Bruhn auf dem Weg der Veränderung als wichtige Marke, aber nicht als letzten Stichtag, an dem „der Change“ passiert sein müsse. „Wir sprechen – wie immer bei solchen Prozessen – von einer Zeitschiene“, verdeutlichte er.

Vize-Präsidentin sieht großes Verbesserungspotential

Nach einem Frühstücks-Empfang und einem ersten Austausch bei einem Steh-Café hatte Brigitte Meyer, BRK-Vizepräsidentin und Schirmherrin des Projekts, in ihrem Grußwort einen leidenschaftlichen Appell an die Anwesenden gerichtet, die strukturellen Veränderungen in der Pflege mutig anzugehen und sie als Chance zu begreifen, „etwas anzupacken und etwas grundsätzlich zu verändern“.

„Die Personalbemessung hat das Potential, die Situation der Mitarbeitenden wirklich zu verbessern – und die Umsetzung in den Einrichtungen kann auch die Attraktivität als Arbeitgeber steigern“, sagte Meyer, in deren Augen „die veralteten Strukturen der Fachkraftquote aus den Jahren 1993/94 längst nicht mehr in ein im Laufe der Jahre völlig verändertes Anforderungsumfeld passen“.

Vor den Workshops, die nach der Mittagspause auf dem Programm standen, hielt Patrick Weiss, Geschäftsbereichsleiter Pflegewirtschaft bei der Unternehmensberatung Contec GmbH, ein Impuls-Referat zum Change-Management in der stationären Altenpflege, in dem er sich unter anderem der Studie des Bremer Professors Heinz Rothgang widmete. Auch auf sie bezieht sich das Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz.

Rothgang hatte die Personalbemessung in der Pflege untersucht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Fachkraftquote häufig nicht dem entspricht, was Bewohner benötigen. Laut Nelleke Jakob müsste es demnach viel mehr Pflegehilfskräfte geben.

„Personalbemessung", betonte Patrick Weiss am Donnerstag, „halte ich für einen epochalen Schritt." Der Marktfeldleiter bei Contec hob hervor, wie wichtig es sei, für einen Veränderungsprozess wie diesen die Beschäftigten zu gewinnen. „Sie kriegen Änderung nicht umgesetzt, wenn sie nicht den Großteil der Mitarbeitenden an Bord bekommen – und ohne Leitungsteam schon gar nicht!", meinte er.

„Das gibt einem in Krisen doch den Glauben wieder"

Teilen der Branche bescheinigte er eine erfreuliche Veränderungsbereitschaft. „Das gibt einem in Krisen doch den Glauben und die Hoffnung wieder, dass es neben allen Problemen, die man im Alltag hat und die nicht abreißen, tatsächlich immer eine Perspektive gibt und welche, die es schaffen. Die sich dahinter klemmen, die es ordentlich machen, sich ordentlich qualifizieren, ordentlich ausbilden und ordentliche Strukturen zur Verfügung haben", erklärte Weiss.

Der Vormittag klang mit einem Vortrag von Lea Schilder, Teamleitung Sozialrecht bei der BRK-Landesgeschäftsstelle, aus, die den rechtlichen Rahmen des Paragrafen 113c umriss.