Was aus einer verrückten Idee auf der Couch werden kann

Herbert Putzer, Peter Hausl und Brigitta Hausl-Wieschalka setzten sich 1999 gegen erhebliche Widerstände durch. Mit dem 1. Katastrophenschutz-Kongress in Weiden machten sie sich daran, eine Erfolgsgeschichte zu schreiben, die bis heute andauert. Als sie vor 24 Jahren mit der Planung begannen, hatten viele nur ein müdes Lächeln für sie übrig. Das Thema, dem sie sich widmen wollten, galt nach dem Ende des Kalten Krieges als verstaubt und überflüssig. „Wir haben eine Herausforderung gesucht und wollten den Leuten beweisen, dass wir auch in Niederbayern und der Oberpfalz etwas auf die Beine stellen können“, sagt Herbert Putzer.

Von Frank Betthausen

Weiden. Alles begann 1999 mit einer Bemerkung im Scherz. Peter Hausl und seine Frau Brigitta Hausl-Wieschalka saßen abends nach einem anstrengenden Tag zu Hause in Dietersburg (Landkreis Rottal-Inn) auf der Couch. In Regensburg hatten sie Fachdienst-Kollegen wieder einmal über Neuerungen im Katastrophenschutz informiert. Peter Hausl war zu dieser Zeit 2. Bezirksbereitschaftsleiter unter Herbert Putzer, seine Frau fungierte als 3. Bezirksbereitschaftsleiterin. „Weißt Du was?“, sagte die heute 70-Jährige aus einer Laune heraus im heimischen Wohnzimmer zu ihrem Mann. „Eigentlich könnten wir einen Kongress machen!“

„Peter Hausl war schon immer weit vorausblickend.“ Herbert Putzer

Der Satz war völlig ins Blaue hinein gesprochen. Aber er war die Geburtsstunde des Bayerischen Katastrophenschutz-Kongresses, wie er heuer Ende März zum zwölften Mal in Weiden stattfindet. Eine Großveranstaltung, die untrennbar mit den Namen Putzer, Hausl und Hausl-Wieschalka verbunden ist!

Die Niederbayerin amüsiert sich immer noch über ihren Ausspruch von damals. „Mir war nicht bewusst, was das heißt und welche Arbeit auf uns zukommt. Mir hat einfach das Wort Kongress gefallen“, sagt sie.

Und nicht nur ihr! Auch ihr Mann fing schnell Feuer für die Vision – genauso wie Herbert Putzer, der einige Zeit später bei einer Halben im Bierstüberl in der BRK-Bildungsstätte in Hohenfels mit Peter Hausl die Köpfe zusammensteckte und der Spinnerei von einem Katastrophenschutz-Kongress freien Raum ließ.

„Das war ein richtig gutes Team"

„Peter Hausl war schon immer weit vorausblickend“, sagt Putzer in der Rückschau und erinnert sich lebhaft an die Zurückhaltung und das müde Lächeln vieler Wegbegleiter, die dem Trio an der Bezirksbereitschaftsspitze vor 24 Jahren eher einen veritablen Vogel als eine ernstzunehmende Idee bescheinigten.

Nicht wenige hielten das Thema Katastrophenschutz zehn Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs für verstaubt und unnötig. Den Mut, die Sache anders anzugehen und zu denken – weniger aus einer Europa beherrschenden Bedrohungslage heraus, sondern mit einem starken Schwerpunkt auf dem zivilen Gedanken –, hatte keiner.

Außer Herbert Putzer, Peter Hausl und Brigitta Hausl-Wieschalka!

„Wir waren alle drei relativ neu gewählt. Wir haben eine Herausforderung gesucht und wollten den Leuten beweisen, dass wir auch in Niederbayern und der Oberpfalz etwas auf die Beine stellen können“, sagt der 69-jährige Putzer.

Ein richtig gutes Team sei das zu dieser Zeit gewesen. Ja, der Bezirksausschuss – der Vohenstraußer nennt neben den Hausls auch Herbert Ehrl als früheren Organisations-Referenten – habe Mitte, Ende der 1990er Jahre in Bayern „ein gewichtiges Wort mitzusprechen gehabt“ und einiges bewegt.

Als ein Beispiel nennt er die „Helfer vor Ort“. Für dieses Projekt – die Erprobung fand an fünf Standorten in seinem Heimatkreisverband Weiden und Neustadt an der Waldnaab statt, wo er seit 1987 als Kreisbereitschaftsleiter tätig war – sei man einst ebenfalls belächelt worden. „Dabei ist das ein Renner geworden, der nicht mehr einzubremsen war“, sagt Putzer.

Doch es gab nicht nur Gegenwind. Als er von den Überlegungen hörte, einen Katastrophenschutz-Kongress zu veranstalten, habe etwa der damalige BRK-Bezirksgeschäftsführer Armin Bauer nach fünf Minuten Skepsis zugestimmt, berichtet der 68 Jahre alte Peter Hausl. Der frühere Bezirksvorsitzende Markus Sackmann habe die Sache ebenfalls unterstützt, ergänzt Brigitta Hausl-Wieschalka.

Und der Rest? Waren Durchsetzungskraft, Ideenreichtum, harte Organisationsarbeit und ein wenig Glück!

Vom 31. März bis 2. April 2000 ging der 1. Bayerische Katastrophenschutz-Kongress über die Bühne – unter dem Motto „Mit dem BRK als kompetentem Partner in die Zukunft“. Der Austragungsort? Schon damals die Max-Reger-Halle in Weiden!

Putzer hatte die Stadt ins Gespräch gebracht, nachdem sich die ersten Überlegungen, nach Straubing zu gehen, zerschlagen hatten. „Der damalige Oberbürgermeister Hans Schröpf ist uns bei der Saalmiete sehr entgegengekommen“, erzählt er. „Wir waren vollstens zufrieden mit der Halle und den Beschäftigten. Es ist toll gelaufen.“

Dass einiges an Nervosität im Spiel war, gibt er gerne zu. Immerhin kamen zur Premiere mit Bundesinnenminister Otto Schily und Bayerns Innenminister Günther Beckstein gleich einmal zwei absolute Hochkaräter in die Oberpfalz, um auf dem Podium zu diskutieren.

„Das hatte Weiden so noch nicht gesehen“, sagt Putzer. „Da war schon Anspannung im Spiel und du hast dir immer wieder gesagt: Hoffentlich läuft alles, hoffentlich passiert nichts Gravierendes…“

Alles schrie nach einer Wiederholung

Zu all dem kam die Unsicherheit, ob das Konzept aufgeht und die neue Veranstaltung Anklang findet. Doch schon bei der Schlussbesprechung am Sonntag stand nach den begeisterten Rückmeldungen der Teilnehmer der Gedanke im Raum: Dieser Termin schreit nach einer Wiederholung.

„Wir waren wirklich überrascht, wie gut das ankam“, erklärt Peter Hausl. Und Herbert Putzer ergänzt: „Es war eigentlich sofort klar, dass wir im nächsten Jahr einen Kongress nachschieben müssen, um zu zeigen: Hier hat sich etwas entwickelt.“

So kam es 2001 – das Ereignis war diesmal mit dem Titel „Gestalten – vereinen – entwickeln“ überschrieben – zur Neuauflage. Erst danach stellten Putzer, Hausl und Hausl-Wieschalka auf den bis heute praktizierten Zwei-Jahres-Rhythmus um.

Spätestens mit Kongress Nummer zwei, den die damalige Kultusministerin Monika Hohlmeier, die Tochter von Franz Josef Strauß, beschirmte, war die Veranstaltung nicht mehr aus den Rot-Kreuz-Kalendern wegzudenken.

Auch nicht deswegen, weil die Organisatoren, die fortan den BRK-Landesverband und das DRK in Berlin eng ins Programm mit einbanden, immer auf wegweisende Leitlinien setzten.

Sie bauten auf die Zukunftsthemen

„Wir haben die Themen eingebunden, die die Zukunft des Bayerischen Roten Kreuzes bedeuteten“, sagt Herbert Putzer.

Egal, ob es die Schnelleinsatzgruppen waren – sie gingen über ein Konzept der ostbayerischen Bereitschaftsspitze aus den ab 1989/1990 aufgelösten Katastrophenschutz-Zügen hervor –, die Helferfreistellung oder die neue Rolle der Ehrenamtlichen im Rettungsdienst mit der Einführung des Rettungsassistenten: „Die Katastrophenschutz-Kongresse hatten immer Auswirkungen, die wir gedanklich angestoßen haben“, sagt Putzer.

„Der Katastrophenschutz steht heute völlig klar als wesentlicher Bestandteil da, der bearbeitet gehört – genauso wie der Zivilschutz.“ Peter Hausl

Mit einer Vielzahl an Referenten aus dem Ausland bekamen die Termine in Weiden fast schon nebenbei eine hochinteressante, internationale Note. Besonders stolz ist Peter Hausl darauf, dass es 2007 trotz einiger Vorbehalte gelang, einen Vertreter des Roten Davidsterns aus Israel und des Roten Halbmonds aus Palästina in der Max-Reger-Halle an einen Gesprächstisch zu holen.

Und seine Frau ist immer noch hochzufrieden, wenn sie an die Entscheidung denkt, dem originären Rot-Kreuz-Thema „Humanitäres Völkerrecht“ bei dem Kongress Raum zu geben. „Das war früher etwas, das niemanden interessiert hat, weil es sehr trocken und mit vielen Paragrafen behaftet ist“, sagt Brigitta Hausl-Wieschalka.

„Irgendwann haben wir das Thema einfach mit reingebracht und alle haben begeistert gesagt: Ich wusste gar nicht, was da alles dazugehört.“

Der Kongress selbst ist für Peter Hausl im Jahr 2023 aktueller denn je. Die Ereignisse der vergangenen drei Jahre stellen die Bedeutung der Veranstaltung in seinen Augen „noch einmal ganz anders dar“. Das Hochwasser im Ahrtal, der Krieg in Europa, die Pandemie… „Das waren und sind schon fast apokalyptische Zustände“, sagt der 68-Jährige. „Der Katastrophenschutz steht heute völlig klar als wesentlicher Bestandteil da, der bearbeitet gehört – genauso wie der Zivilschutz.“

Dass ihre Idee bis heute weitergeführt werde, dass der Grundrahmen – bei allen nötigen Modernisierungen – immer noch Bestand habe und ankomme, das beeindrucke ihn. „Das wird immer mein Kind bleiben“, meint Hausls Frau Brigitta. „Wir sind nach wie vor stolz, dass es immer noch so läuft, wie wir das damals begonnen haben.“

Ein großes Dankeschön ans Team der Bezirksgeschäftsstelle

Ein großes Anliegen ist es ihr – und das auch Jahre nach ihrem Abschied aus der ersten Führungsreihe! –, sich beim gesamten Team des BRK-Bezirksverbands Niederbayern/Oberpfalz zu bedanken. Allen voran bei Christine Klankermeier, die in der Bezirksgeschäftsstelle für die Bereitschaften und den Bereich Organisation zuständig war.

„Ohne ihre Unterstützung wäre nichts gegangen. Ehrenamtlich allein hätte man das nicht stemmen können“, meint Hausl-Wieschalka.

Wie für ihren Mann und Herbert Putzer ist es für sie Ehrensache, auch diesmal nach Weiden zu fahren und am Kabarett-Abend mit Lizzy Aumeier und dem Essen im Kreis der Referenten teilzunehmen. „Es ehrt uns und es freut uns, dass wir eingeladen worden sind“, sagt Peter Hausl – und in seinen Augen blitzt fast kindliche Begeisterung auf…

„Seine Uniform, das Auto und das Rote Kreuz haben mir immer sehr entsprochen.“ Herbert Putzer über den Cousin seines früheren Meisters, der in ihm die Begeisterung für die Hilfsorganisation weckte

Das sind die drei Gründer des Katastrophenschutz-Kongresses

Zur Person: Herbert Putzer

Herbert Putzer stammt aus Vohenstrauß (Landkreis Neustadt/Waldnaab) und ist 69 Jahre alt. Er ist mit seiner Barbara verheiratet, hat zwei Kinder und fünf Enkel. Von 1977 bis 2019 engagierte er sich ununterbrochen im Rettungsdienst. Putzers Wurzeln liegen in der BRK-Bereitschaft Vohenstrauß.

Bis heute bringt er sich in die Gemeinschaft ein, in der er als Zug- und Gruppenführer sowie Bereitschaftsleiter tätig war. „Mittlerweile aber mehr in der Betreuung und Verpflegung“, sagt er.

Wie er zum Roten Kreuz kam? Der 69-Jährige ist gelernter Schreiner. Der Cousin seines Meisters arbeitete damals hauptamtlich im Rettungsdienst. „Seine Uniform, das Auto und das Rote Kreuz haben mir immer sehr entsprochen“, erinnert sich der Vohenstraußer, der sich mit 16 dazu entschied, der Hilfsorganisation beizutreten.

Er absolvierte alle zu dieser Zeit möglichen Ausbildungen und verrichtete als einer der ersten ehrenamtlichen Rettungssanitäter beim Kreisverband Weiden seinen Dienst. Mit dem Ende seiner Lehre hatte er 1977 das Glück, eine hauptamtliche Stelle in der Rettungswache in Weiden zu bekommen.

1984 wechselte Putzer als Disponent zur Rettungsleitstelle Weiden, deren Leiter er 1999 wurde. 2010 beriefen ihn die Verantwortlichen zum Mann an der Spitze der neuen Integrierten Leitstelle Nordoberpfalz. Nach neun Jahren in dieser Rolle ging er im Oktober 2019 in den Ruhestand.

Seit 1987 – den Posten bekleidete er bis 2013 – verdiente sich der Oberpfälzer als Kreisbereitschaftsleiter im Ehrenamt seine Sporen. 1988 wurde er in den Bezirksausschuss der Bereitschaften berufen, 1992 in dem Gremium zum stellvertretenden Bezirksbereitschaftsleiter gewählt. 1996 stieg er zum Vorsitzenden des Bezirksausschusses auf. 2005 übergab er das Amt an Brigitta Hausl-Wieschalka.

Bis heute ist Herbert Putzer in der Kreisvorstandschaft des BRK-Kreisverbands Weiden und Neustadt an der Waldnaab tätig.

Zur Person: Brigitta Hausl-Wieschalka

Brigitta Hausl-Wieschalka ist in Passau groß geworden und hat im vergangenen Jahr ihren 70. Geburtstag gefeiert. Sie ist mit Peter Hausl verheiratet und hat zwei Söhne aus erster Ehe. Ihr Mann war ebenfalls schon einmal verheiratet und brachte eine Tochter in die neue Partnerschaft mit. Gemeinsam haben die beiden sieben Enkel.

„Irgendwann habe ich mir gesagt: Entweder werde ich Führungskraft beim Roten Kreuz – oder ich höre wieder auf. So hat das Ganze seinen Lauf genommen. Brigitta Hausl-Wieschalka

Hausl-Wieschalka trat 1986 – sie war mit ihrem damaligen Mann neu in der Gegend – dem Bayerischen Roten Kreuz und der Frauen-Bereitschaft Bad Birnbach bei. „Zum Roten Kreuz bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kind – und auch in die Ausbildung im Katastrophenschutz bin ich mehr oder weniger hineingefallen“, erinnert sie sich an ihre Gruppen- und Zugführer-Lehrgänge an der Katastrophenschutzschule Geretsried.

Irgendwann sagte sie sich: „Entweder werde ich Führungskraft beim Roten Kreuz – oder ich höre wieder auf.“ So habe das Ganze seinen Lauf genommen…

Beruflich war die Dietersburgerin zehn Jahre im Öffentlichen Dienst tätig – später als Masseurin und Medizinische Bademeisterin. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie ihre Arbeit aufgeben und mit Anfang 50 in den Vorruhestand gehen.

Als Ausgleich begann sie, sich ehrenamtlich immer stärker zu engagieren. „Beim Roten Kreuz habe ich mich irgendwann auf den Betreuungsdienst konzentriert, weil mir das am meisten gelegen hat“, erzählt sie. Dabei schrieb sie unter anderem Leitfäden für die Bereiche Führung und Betreuungsdienst und brachte sich als Ausbilderin ein.

1993 wurde Hausl-Wieschalka zur Kreisbereitschaftsleiterin des Kreisverbands Rottal-Inn gewählt – als erste Frau in Niederbayern. „Leider ist das bis heute eine Männer-Domäne“, meint sie.

Unter Herbert Putzer und ihrem Mann Peter Hausl als dessen Stellvertreter sammelte sie als 3. Bezirksbereitschaftsleiterin wertvolle überregionale Erfahrungen, ehe sie von 2005 bis 2009 als Bezirksbereitschaftsleiterin fungierte.

Zur Person: Peter Hausl

Peter Hausl, der Ehemann von Brigitta Hausl-Wieschalka, ist Münchner und 68 Jahre alt. Er kam 1972 über einen Nachbarn zum Roten Kreuz – als gelernter Intensiv-Fachkrankenpfleger. Ab 1973 fuhr er als Rettungsassistent im Rettungsdienst – lange Jahre ehrenamtlich und am Wochenende.

1980 wurde er Lehrbeauftragter beim DRK in Bonn und schulte – er war in Bayern stationiert, aber in Nordrhein-Westfallen angestellt – Ausbilder und Instruktoren.

Ab 1984 baute Peter Hausl die erste Rettungsdienstschule des BRK im schwäbischen Jettingen-Scheppach auf. Von dort wechselte er zum BRK-Bezirksverband Niederbayern/Oberpfalz, leitete dort die Bildungsstätte in Hohenfels und brachte sich acht Jahre als Rettungsdienst-Referent ein.

Der Katastrophenschutz war schon immer eines seiner Steckenpferde. „Ich fand das Thema schon in meiner Zeit in München äußerst spannend“, sagt Hausl, für den 2008 die Berufung in die Landesgeschäftsstelle folgte. In München wirkte er bis zu seinem Ruhestand 2017 als Abteilungsleiter Rettungsdienst.