Sensibel sein – und jeden Tag von den Senioren lernen

75 Jahre Bezirksverband: Ulla Mietzner, Fachkraft im BRK-Seniorenheim Schloss Eggmühl, kann jeden jungen Menschen nur ermuntern, seinen Weg in der Pflege zu gehen. „Es vergeht kaum ein Tag, wo du nicht viel gemeinsam lachen kannst – auch wenn das Weinen genauso dazu gehört. Aber wir sind eine richtig kleine Familie und kein Tag ist wie der andere. Einfach wunderbar!“

Von Herbert Ehrl

Schierling. Eine Umstellung war es anfangs schon, als Ulla Mietzner mit ihrem Mann 1994 aus Gera – im Dreieck Erfurt/Leipzig/Chemnitz gelegen – in das beschauliche Eggmühl zog. Aber: Bei den beiden stellte sich rasch ein neues Heimatgefühl ein. Dazu trug auch der Umstand bei, dass Mietzner im örtlichen Schloss, wo der BRK-Bezirksverband Niederbayern/Oberpfalz sein Seniorenheim betreibt, ein berufliches Umfeld fand, in dem sie sich von Beginn an wohlfühlte.

„Ich sehe das hauptsächlich als Chance, um durch den Computereinsatz in der Pflegedokumentation wieder mehr Zeit für die menschliche Zuwendung zu erreichen.“ Pflegefachkraft Ulla Mietzner

Dabei war es für sie seinerzeit gar nicht so einfach, eine Anstellung in einer sozialen Einrichtung zu finden, die ihrer Ausbildung und beruflichen Erfahrung entsprochen hätte. Warum? In ihrer angestammten Heimat war als Erzieherin tätig gewesen.

Unglaublich aus heutiger Sicht: In Eggmühl (Markt Schierling/Landkreis Regensburg) und der Umgebung war in den 1990er Jahren der Bedarf für die Arbeit in Kindergärten reichlich gedeckt. Da sie wieder arbeiten wollte – und das am liebsten mit Menschen –, hatte sie die Idee, im schon äußerlich anheimelnden Schloss vorzusprechen.

So erhielt sie von der damaligen Heimleiterin Schwester Rosa vom Rotkreuzorden der Schwesternschaft Wallmenichhaus das Angebot, als Pflegehelferin einzusteigen.

Das Maß an Verantwortung hat sich verändert

Mietzner willigte ein, sammelte einige Jahre Berufspraxis in der Altenhilfe-Einrichtung – unterbrochen durch die Geburt ihrer Tochter – und qualifizierte sich bis zur Altenpflegerin weiter. Seit 2012 steht sie dem Schloss-Team mit Heimleiter Bernhard Strazim an der Spitze als Fachkraft zur Verfügung.

Die Aufgaben und das Maß an Verantwortung haben sich mit den Jahren verändert. Doch Mietzner betrachtet das so: „Es ist mit mir mitgewachsen!“

Und wie in wahrscheinlich allen Berufssparten hat nicht zuletzt die Zahl der technischen Hilfsmittel in der täglichen Praxis zugenommen. „Ich sehe das hauptsächlich als Chance, um durch den Computereinsatz in der Pflegedokumentation wieder mehr Zeit für die menschliche Zuwendung zu erreichen“, sagt die langjährige Fachkraft.

„Die Öffentlichkeit sieht zu sehr das Negative"

Aus ihrer Erfahrung heraus habe sich ohnehin einiges gebessert, doch leider werde in der Öffentlichkeit allzu oft eher das Negative gesehen.

Zufrieden äußert sie sich beispielsweise über die Kooperationen mit externen Partnern – Therapeuten, Fachärzten oder Apotheken. Mittlerweile gehe vieles Hand in Hand.

Natürlich könne es sein, dass das ein bisschen mit Corona zu tun habe, aber der gegenseitige Respekt sei heute besser denn je. „Darauf kann man aufbauen“, meint Mietzner.

In den Personengruppen, die das Innenleben und die Abläufe eines Seniorenheimes kennen, ist nach ihrer Einschätzung „jedenfalls viel Anerkennung zu bemerken“. Natürlich sei es Angehörigen während der Pandemie bisweilen schwer gefallen, die vorgeschriebenen Einschränkungen zu akzeptieren. „Aber das ist uns allen ebenfalls sehr schwer gefallen und das hat auch uns weh getan“, sagt sie.

„Ja, ein bisschen mehr Demut tut durchaus gut. Die gegenseitige Wertschätzung in unserem Team ist auch stärker geworden.“ Pflegefachkraft Ulla Mietzner

Wenn sie darüber nachdenkt, ob diese Zeit voller Grenzen und behördlicher Regeln etwas Gutes gebracht habe, ist sie sich sicher: „Ja, ein bisschen mehr Demut tut durchaus gut. Die gegenseitige Wertschätzung in unserem Team ist stärker geworden.“

Und wie erlebt sie die Ansichten in ihrem Bekanntenkreis? Da muss die BRK-Mitarbeiterin schmunzeln: „Ich glaube schon, dass sich da etwas Positives entwickelt hat, auch wenn es nach wie vor Mitmenschen gibt, die unsere Arbeit unsinnigerweise auf die Pflege rund um den Toilettengang reduzieren.“

Die eigenen Talente ausleben

All dem hält sie entgegen: „Meine Arbeit mit älteren und pflegebedürftigen Menschen füllt mich aus. Wenn du sensibel genug dafür bist, lernst du so viel von den Seniorinnen und Senioren. Es vergeht kaum ein Tag, wo du nicht immer wieder viel gemeinsam lachen kannst – auch wenn das Weinen genauso dazu gehört. Aber wir sind eine richtige kleine Familie und kein Tag ist wie der andere. Einfach wunderbar!“

Natürlich machen sich die Eggmühlerin und ihre Kolleginnen Gedanken darüber, wie sich wieder mehr Nachwuchs für die Arbeit in der Pflege gewinnen ließe.

„Hier sind alle richtig, die viele Talente mitbringen, die sie bei uns ausleben können“, betont  Mietzner. Es werde nie eintönig oder langweilig. Außerdem könnten sich Bewerber bei Eignung und Interesse immer wieder für höhere Aufgaben weiterqualifizieren.

Sie weiß aber genauso: Junge Menschen, die zum Probearbeiten kommen, oder solche, die über Freiwilligendienste einsteigen, wollen gut „an der Hand genommen und behutsam begleitet werden“.

So freut sie sich weiterhin auf alle Neueinsteiger, die jetzt und in Zukunft bereit sind, das „Abenteuer Menschlichkeit“ zu wagen und an die Tore des historischen und doch so modernen Schlosses Eggmühl anzuklopfen…