Lernen aus dem Unvorstellbaren: Ein wegweisender Kongress

Fast drei Jahre Pandemie, die Hochwasser-Katastrophe 2021 und ein nicht enden wollender Konflikt in der Ukraine: Das Rote Kreuz war in den vergangenen Jahren gefordert wie seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr. Sich diesen Entwicklungen zu stellen, daran zu wachsen, umzudenken und der Öffentlichkeit Weichenstellungen zu präsentieren: Darum geht es in besonderer Weise beim 12. Bayerischen Katastrophenschutz-Kongress, der vom 31. März bis 2. April in Weiden geplant ist. Er steht unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Markus Söder und findet in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz und dem Forschungsinstitut Rettungswesen, Notfall- und Katastrophenmanagement der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) statt.

Von Frank Betthausen

Weiden. Die Pandemie war für Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz die größte Belastungsprobe und Herausforderung seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Egal ob in der Pflege, im Rettungsdienst oder bei der täglichen Versorgung der Menschen mit dringend benötigten Schutzgütern: Der Sozialverband war bis in seine kleinsten Verästelungen in einer Weise gefordert, wie es sich selbst die erfahrensten Aktiven nicht hätten vorstellen können. Zu all dem kamen 2021 die Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal und im Spätwinter 2022 der grausame Konflikt in der Ukraine.

„Bei unseren Kernthemen über Grenzen hinweg mit unseren Partnern zusammenzuarbeiten, ist uns ein wichtiges Anliegen.“ Landes- und Bezirksbereitschaftsleiter Dieter Hauenstein

„Auf unsere Katastrophenschutz- und Bevölkerungsschutz-Strukturen war zu jeder Zeit Verlass“, sagt Landes- und Bezirksbereitschaftsleiter Dieter Hauenstein in der Rückschau. „Und doch haben wir in aller Deutlichkeit gezeigt bekommen, wie schnell wir mit dem Undenkbaren konfrontiert werden können.“

Sich diesen Entwicklungen zu stellen, daran zu wachsen, neu zu planen, als Rotes Kreuz umzudenken und der Öffentlichkeit Weichenstellungen zu präsentieren: Darum geht es in besonderer Weise beim 12. Bayerischen Katastrophenschutz-Kongress, der vom 31. März bis 2. April in Weiden geplant ist.

Er steht unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Markus Söder und findet in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz und dem Forschungsinstitut Rettungswesen, Notfall- und Katastrophenmanagement der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) statt.

Hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion

Neben einer Vielzahl an Fachvorträgen, Reden und Workshops stehen eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion, eine Fahrzeug- und Produktschau von etwa 20 gewerblichen Ausstellern und der fachliche Austausch – nicht zuletzt mit anderen Hilfsorganisationen wie den Maltesern oder dem Technischen Hilfswerk – auf dem Programm. „Bei unseren Kernthemen über Grenzen hinweg mit unseren Partnern zusammenzuarbeiten, ist uns ein wichtiges Anliegen“, sagt Hauenstein.

Unter dem Motto „Katastrophenschutz: Realität und Zukunft“ werden an den drei Tagen bis zu 800 Teilnehmer in der Max-Reger-Halle erwartet – unter ihnen auch internationale Gäste. „Am Freitag – beim Auftritt der Kabarettistin Lizzy Aumeier – könnte es sein, dass wir die 1000-Besucher-Marke reißen“, meint der Bereitschaftsfunktionär.

Als Organisator war es ihm ein großes Anliegen, den Kongress an diesem Abend „zu öffnen“ und Karten in den freien Verkauf zu geben.

Wie in den Jahren zuvor – die letzte Großveranstaltung dieser Art in Weiden hatte 2019 stattfinden können, danach überschattete die Pandemie das Geschehen – ist in das dreitägige Programm der Bayerische Fachkongress Rettungsdienst integriert; zum insgesamt achten Mal.

Dieter Hauenstein stemmt die Arbeit daran als stellvertretender Geschäftsführer des BRK-Bezirksverbands Niederbayern/Oberpfalz zusammen mit einem Team ehren- und hauptamtlicher Kollegen der Bezirksgeschäftsstelle in Regensburg. „Über ein ganzes Jahr hinweg! So viel Zeit verschlingt die Vorbereitung“, berichtet der 53-Jährige.

Die Liste der Ehrengäste ist lang

„Geadelt“ wird das Engagement der Beteiligten durch den Besuch vieler prominenter Persönlichkeiten. So werden zwischen dem 31. März und dem 2. April unter anderem Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, DRK-Generalsekretär Christian Reuter, BRK-Präsidentin Angelika Schorer, BRK-Landesgeschäftsführerin Dr. Elke Frank und Bayerns Justizminister Georg Eisenreich als Schirmherr der Rot-Kreuz-Bereitschaften in Weiden erwartet.

„Ob Markus Söder persönlich in die Oberpfalz kommen kann, ist noch offen“, sagt Dieter Hauenstein, der sich dennoch sehr über die Zusage für die Schirmherrschaft freut. 

„Krieg in Europa! Zivile Verteidigung, Völkerrecht… Das waren für uns keine Themen mehr.“ Landes- und Bezirksbereitschaftsleiter Dieter Hauenstein

Fest auf der Liste der Ehrengäste stehen DRK-Bundesbereitschaftsleiter Martin Bullermann, Dr. Fritz-Helge Voß, der THW-Landesbeauftragte für Bayern, der Grünen-Bundestagsabgeordnete Leon Eckert, Mitglied des Innenausschusses, und Barbara Siri, die Präsidentin des Weißen Kreuzes in Südtirol.

„Nach der langen Pandemie-Pause und den Ereignissen der letzten Jahre wird das ohne Frage ein besonderer Kongress“, sagt Hauenstein – und bezieht diese Aussage auch auf die Themen der Fachtagung. Sie werden nach seinen Worten „so praxis- und realitätsnah wie möglich“ gesetzt sein und an den Erfahrungen andocken, die das Rote Kreuz seit Anfang 2020 gemacht hat.

Das beginnt bei der „Resilienz der Bevölkerung“ und der „Just-in-time-Mentalität der Menschen“, wie es Hauenstein nennt („Wir haben lernen müssen, dass Verbrauchsmaterial schnell ausgehen kann“), und hört bei den eigenen Mitarbeitern auf.

Denn: Das Verhalten von Einsatzkräften habe sich in Corona-Zeiten geändert. „Viele sind ins Überlegen gekommen und haben realisiert, dass sie sich im Ernstfall einer hohen Infektionsgefahr aussetzen und auch ihren Familien ein hohes Risiko nach Hause tragen.“

Völlig neue Ausgangslagen

Vor diesem Hintergrund gelte es zu klären, wie eine Hilfsorganisation es schaffen könne, sich auf solche Ausgangslagen einzustellen und auch in schwierigen Phasen genug Einsatzkräfte zu mobilisieren.

Einen weiteren wichtigen Bereich auf der Agenda macht Hauenstein in den schweren Kämpfen in der Ukraine aus. „Krieg in Europa! Zivile Verteidigung, Völkerrecht… Das waren für uns keine Themen mehr“, sagt der Bezirksbereitschaftsleiter.

„Wie gehen wir mit den Gefahren für die Einsatzkräfte um?“, „Wie wappnen sich unsere Führungskräfte dafür?“, „Welche Mechanismen brauchen wir, um unsere Leute zu betreuen?“: All das sind Fragen, die sich dem 53-Jährigen stellen und die Ende März, Anfang April in Weiden im besten Fall beantwortet werden sollen.

„Wir haben lernen müssen, dass Verbrauchsmaterial schnell ausgehen kann.“ Landes- und Bezirksbereitschaftsleiter Dieter Hauenstein

Eine wichtige Rolle beim Kongress – dieser Aspekt war Hauenstein wichtig – spielt das Thema Interaktion. So werden die Teilnehmer und Einsatzkräfte unter dem Programmpunkt „Der geriatrische Patient im K-Fall“ die Gelegenheit bekommen, in einen Altersanzug zu schlüpfen und einen Demenz-Parcours zu durchlaufen.

Sie sollen so ein Gespür dafür entwickeln, was beispielsweise die Räumung einer Pflege- beziehungsweise Senioren-Einrichtung im Ernstfall für die Bewohner bedeutet.

Darüber hinaus wird den Besuchern die Möglichkeit geboten, sich in interaktiven Workshops in den Kongress einzubringen, Meinungen zu äußern und ihre Vorschläge für die Weiterentwicklung von Katastrophenschutz-Themen zu formulieren.