„Wir brauchen uns nicht vor dem Hochgebirge zu verstecken“

Die Bergwacht Bayerwald hatte 2022 mit ihren 20 Bereitschaften so viele Einsätze zu meistern wie nie. Bei der Jahres-Pressekonferenz im JOSKA Glasparadies in Bodenmais appellierte Regionalleiter Robert Heilig auch vor diesem Hintergrund an die Kostenträger, die Bergretter finanziell entsprechend auszustatten. „Wir wollen keine goldenen Häuser oder goldenen Anoraks, wir wollen einfach solide Ausrüstung und Kleidung, damit wir unserer Leidenschaft, unserem Ehrenamt, nachgehen können“, betonte er.

Von Frank Betthausen

Bodenmais. Skifahrer, Mountainbiker, Kletterer, Wanderer, Gleitschirmflieger: Zu zehntausenden zieht es die Menschen in Ostbayern in die Natur – im Sommer wie im Winter. Der Trend, im Freien nach Entspannung, Action oder einem Adrenalin-Kick zu suchen, ist ungebrochen. Das schlägt sich in den Zahlen der Bergwacht Bayerwald für das vergangene Jahr nieder. 993 Einsätze – 493 im Winter, 500 im Sommer – stehen für 2022 in den Büchern der Bergretter. So viele wie nie! In den Corona-Jahren 2021 und 2020 waren es 726 beziehungsweise 818 gewesen.

„Das ist schon eine beachtliche Zahl an Menschen, die all das ehrenamtlich leisten.“ Regionalleiter Robert Heilig

„Wir brauchen uns nicht vor dem Hochgebirge zu verstecken“, sagte Regionalleiter Robert Heilig am Dienstagabend bei der Jahres-Pressekonferenz im JOSKA Glasparadies in Bodenmais (Landkreis Regen).

Im Erlebnisrestaurant des Unternehmens zog er vor BRK-Funktionären, Einsatzpartnern von Polizei und Feuerwehr, Leitstellen-Vertretern aus Regensburg und Passau sowie den Führungskräften der 20 Bereitschaften, die dem Gebiet der Bergwacht-Region Bayerwald zuzurechnen sind, Bilanz.

Es erstreckt sich von Passau bis Fuchsmühl im Landkreis Tirschenreuth und berührt die Zuständigkeit von sechs Rettungszweckverbänden. Am häufigsten gefordert waren die Bergretter 2022 im Bereich Straubing – gefolgt von Passau und Regensburg.

Als „Hotspots der Bergwacht“ bezeichnete Heilig den Großen Arber und den Geißkopf, wo nach seiner Darstellung „die meisten Einsätze generiert werden“ – nicht zuletzt durch den Bikepark am zweitgenannten Berg.

129 Einsätze mit Hubschrauber-Beteiligung

In 253 von 993 Fällen galt es im vergangenen Jahr, Skifahrer zu versorgen, 229-mal brauchten Mountainbiker Hilfe, 193-mal Wanderer.

Ein Riesenanliegen war es Heilig, „seiner“ Truppe in Ostbayern ein großes Kompliment für ihr Engagement auszusprechen. „Sagt euren Leuten vielen Dank für die geleistete Arbeit!“, bat er die versammelten Bereitschaftsleiter und ihre Stellvertreter.

620 aktive Bergretter hat die Bergwacht Bayerwald derzeit in ihren Reihen. Dazu kommen 189 Anwärter und 51 Jugendliche. 342 Mitglieder gelten als inaktiv. „Das ist schon eine beachtliche Zahl an Menschen, die all das ehrenamtlich leisten“, befand der Regionalleiter, der in seiner Präsentation 129 Einsätze mit Hubschrauber-Beteiligung aufführte.

Allein 100 davon bestritten die Crews von Christoph 15 aus Straubing, aber auch mit den Teams von Christoph Regensburg, Christophorus Europa 3 sowie Christoph 1, 27 und 80 arbeiteten die Bergwachtler zusammen. Die Kollegen aus Passau erfuhren Unterstützung durch Christophorus 10 aus Linz. 64-mal kam nach Angaben von Heilig 2022 die Winde zum Einsatz.

24-Jährige verunglückte tödlich beim Klettern

Drei spektakuläre Einsätze führte der Regionalleiter gesondert an. So musste im August eine verletzte Person am Hochfall (Markt Bodenmais) von den Kollegen aus Arnbruck und Zwiesel in unwegsamem Gelände geborgen werden – am Ende gelang das mit einer Statik-Seilbahn über den Hochfallbach.

Im Februar verunglückte eine 24-Jährige in Schönhofen (Markt Nittendorf) tödlich beim Klettern. Kräfte der Bergwacht Regensburg retteten damals ihren Freund aus der Felswand. Im Oktober waren die Helfer abermals in Schönhofen gefordert, als es dort zu einem Sturz beim Sportklettern kam. „Christoph 15 hat die Person rausgewincht“, berichtete Robert Heilig.

Als „besonders erfreulich“ bezeichnete er in seinem Rückblick die vier erfolgreichen Reanimationen, an denen die Bergretter beteiligt waren – am Großen Arber, bei Viechtach, am Geißkopf und in Frath. Heilig dankte an dieser Stelle dem Rettungsdienst für die „stets hervorragende Zusammenarbeit“.

Am Ende seiner Ausführungen appellierte der Regionalleiter an Kostenträger wie die Krankenkassen und den Freistaat Bayern, die Bergwacht finanziell entsprechend auszustatten. Die Unterstützung sei da, meinte Heilig. „Aber es ist noch Luft nach oben. Wir wollen keine goldenen Häuser oder goldenen Anoraks, wir wollen einfach solide Ausrüstung und Kleidung, damit wir unserer Leidenschaft, unserem Ehrenamt, nachgehen können“, betonte er und bedankte sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich bei den Kreisverbänden. „Ohne sie wäre das manchmal überhaupt nicht möglich, dass die Bergwacht über die Runden kommt“, sagte er.

Dieter Hauenstein, dem stellvertretenden Geschäftsführer des BRK-Bezirksverbands Niederbayern/Oberpfalz, war es ein Anliegen, die „Delle“ in der Statistik der Pandemie-Jahre 2020 und 2021 einzuordnen. „Auch in Corona-Zeiten hat die Bergwacht das Rote Kreuz unwahrscheinlich unterstützt“, meinte der Bezirksbereitschaftsleiter.

Die Ehrenamtlichen seien dabei nicht nur am Berg aktiv gewesen, wo ihre Hauptaufgabe liege, sondern auch in anderen Bereichen des Katastrophenschutzes. „Diese Einsätze fehlen in der Statistik. Und dann hätten wir auch keine Delle, sondern annährend die gleichen Zahlen wie 2022“, meinte Hauenstein, der Robert Heilig und dessen Kameraden die Unterstützung des Bezirksverbands zusicherte.

 Immer intensiver und vielfältiger gefordert 

Joachim Haller, Bürgermeister von Bodenmais, ging auf die steigenden Zahlen bei den Urlaubern und Ausflüglern ein. „So kommt es, dass ihr immer intensiver, immer vielfältiger, immer komplexer gefordert seid.“ Für eine Tourismus-Region wie den Bayerischen Wald sei die Bergwacht „ein unverzichtbarer Bestandteil des ehrenamtlichen Engagements“.

Der Lokalpolitiker dankte den versammelten Aktiven im Namen aller Heimatbürgermeister der 20 Bereitschaften „für all das Gute, was ihr unseren Bürgern und Feriengästen gebt, und das gute Gefühl, zu wissen, dass die Bergwacht immer da ist“.

Auch Jürgen Bummer, stellvertretender Landesleiter der Bergwacht Bayern, ging auf die zunehmend komplexeren Herausforderungen ein, denen sich die Kameraden stellen müssten. Das bedürfe ständiger Weiterbildung.

„Wir haben andere Hilfsmittel an der Hand“

„Es wird nicht einfacher, das Ehrenamt mit der Familie, mit dem Beruf und mit der eigenen Freizeit in Einklang zu bringen“, meinte er und machte sich dafür stark, der Nachwuchs-Gewinnung große Aufmerksamkeit zu widmen. „Die Einsätze werden mehr. Das heißt, wir brauchen ständigen Aufwuchs und brauchen immer wieder neue Leute – auch im Katastrophenschutz“, sagte Bummer.

„Wir müssen in Ausrüstung und Ausbildung investieren, um diese Dinge nutzen zu können. Und wir dürfen uns diesen Dingen nicht verschließen.“ Jürgen Bummer, stellvertretender Landesleiter der Bergwacht Bayern, über die Nutzung moderner Einsatzmittel

Die Natur werde die Bergwacht ebenfalls weiter herausfordern, sagte er mit Blick auf entsprechende Schadensereignisse. „Wir müssen uns hier vorbereiten, um adäquat helfen zu können. Da haben wir andere Herausforderungen als noch vor zehn Jahren.“ Vor diesem Hintergrund begrüßte er den Umstand, dass die Aktiven moderner würden. „Wir haben andere Hilfsmittel an der Hand und werden andere Hilfsmittel an die Hand bekommen“, erklärte Bummer und sprach von einem „Transformations-Jahrzehnt“. Dieser Prozess werde die Bergwacht massiv bewegen. 

„Es gibt aber auch viele Chancen“, meinte der Gastredner, der mit E-Bikes oder E-Motorrädern, „die es der Bergwacht ermöglichen, schneller von A nach B zu kommen“ neue Möglichkeiten auf die Ehrenamtlichen zukommen sah. „Vielleicht unterstützen uns sogar irgendwann Drohnen beim Tragen“, wagte der Funktionär einen Ausblick. Fest steht und stand für ihn jedenfalls: „Wir müssen in Ausrüstung und Ausbildung investieren, um diese Dinge nutzen zu können. Und wir dürfen uns diesen Dingen nicht verschließen.“

Leistungsauszeichnung der Bergwacht Bayern in Bronze

Ehrung für Florian Wochnik, Deggendorf: Über die Leistungsauszeichnung der Bergwacht Bayern in Bronze freute sich bei der Jahres-Pressekonferenz Florian Wochnik. Er hatte 1987 im Alter von 16 Jahren seine Ausbildung bei der Bergwacht Deggendorf begonnen. „Schon als kleiner Junge hat er seinen Vater zu den Bergwachtdiensten begleiten dürfen und Gefallen an der Gemeinschaft gefunden“, berichtete stellvertretender Regionalleiter Matthias Ertl in seiner Laudatio.

Selbst mit seinem Wohnortwechsel nach Ingolstadt sei Wochnik der Bergwacht Deggendorf immer treu geblieben. In seiner Heimatbereitschaft sei er trotz der entfernten Wohnlage als engagierte Einsatzkraft bekannt und eine wichtige Stütze. Als Kassier sei er eine immense Entlastung für die Bereitschaftsleitung.

Seit 2016 engagiere sich Wochnik im Kriseninterventionsteam der Region Bayerwald. Mit seiner ruhigen Ausstrahlung sei er prädestiniert für diesen Aufgabenbereich, befand Ertl.

Als exzellenter Skifahrer sei der Geehrte außerdem seit vielen Jahren am Geißkopf tätig.

„Fritz hat die Bergwacht Neukirchen aus sehr schwierigen Zeiten wieder in ruhigere Gewässer geleitet.“ Stellvertretender Regionalleiter Matthias Ertl

Mit seinen organisatorischen und kommunikativen Fähigkeiten habe er die Aufgabe des Skiwacht-Koordinators übernommen und kümmere sich zuverlässig um die Belange seiner Mannschaft.

Ehrung für Fritz Weber, Neukirchen b. Hl. Blut: Fritz Weber, der ebenfalls die Leistungsauszeichnung der Bergwacht Bayern in Bronze erhielt, war 1971 in die Bereitschaft Neukirchen b. Hl. Blut eingetreten. „Von Anfang an war er mit ganzer Leidenschaft und Herzblut dabei“, würdigte ihn Matthias Ertl. Von 2005 bis 2017 führte Weber die Amtsgeschäfte als Bereitschaftsleiter, zuvor war er als Stellvertreter aktiv gewesen. „Fritz hat die Bergwacht Neukirchen aus sehr schwierigen Zeiten wieder in ruhigere Gewässer geleitet“, erklärte Ertl.

Seine besondere Art und sein besonnenes Gemüt hätten die Bereitschaft in vielen Bereichen vorangebracht. Auch den Neubau des gemeinsamen Bergwacht- und Feuerwehrzentrums, das Anfang der 1990er Jahre ein Vorreiterprojekt gewesen sei, habe er maßgebend begleitet. Nach über 50 Jahren Zugehörigkeit stehe er allen Kameraden bis heute mit Rat und Tat zur Seite und sei in allen Altersschichten angesehen und beliebt.

Im Namen der Bergwacht Bayerwald dankte Ertl dem Geehrten für die tausenden Stunden, die er für sein Ehrenamt geopfert habe. In seine anerkennenden Worte bezog er Webers Frau Marille mit ein, die ihn in diesen vielen Jahren begleitet habe.